Genau vor einem Jahr stand ich hier. Ich stand hier und moderierte gemeinsam mit Rawina als Stipendiatensprecherin und Stipendiatensprecher die Begrüßungsfeier. Heute stehe ich wieder vor Ihnen, um meine “Abschieds”rede zu halten. Ich möchte bereits im Voraus darauf hinweisen, dass es nicht einfach war, diese Rede zu verfassen. Aber warum eigentlich?
Beginnen wir mal von vorne!
Im Jahr 2012 verließ meine Familie und ich mein Heimatland Syrien, als ich gerade zehn Jahre alt war. Wir hatten ein gutes Leben und ich gehörte zu den Besten in meiner Schulklasse. Doch der Krieg kam und er zerstörte alles. Alles änderte sich rasch, und
wir befanden uns plötzlich auf der Flucht.
Meine Mutter, meine Heldin, hatte seit meiner Geburt Geld beiseite gelegt, damit ich eines Tages studieren könnte. Dieses Geld war plötzlich verschwunden, ebenso wie der Traum von einer besseren Zukunft und sozialem Aufstieg. In Saudi-Arabien, unserem neuen Zufluchtsort, kämpften wir mit vielen Herausforderungen. Das Leben dort war sehr schwer für uns, aber nach langen
“Ferien” konnte ich endlich wieder in die Schule gehen.
Den Schulweg musste ich mit meinem Bruder bei unerträglichem Wüstenwetter und unter der heißen Sonne zurücklegen, da uns das Geld für einen Schulbus fehlte. Dennoch war meine Motivation ungebrochen, und meine Schulleistungen waren
herausragend. Aber kaum hatte ich mich an meine neue Welt gewöhnt, fanden wir uns im Oktober 2015 in einem Schlauchboot auf dem Weg nach Österreich. Diesmal trieb uns die Hoffnung an.
Die Hoffnung auf ein besseres Leben, Frieden, Freiheit und vor allem Bildung.
Aber erneut stellte sich die Realität anders dar. Sprachbarrieren, Integrationshürden, Rassismus und Chancenungleichheit waren unsere größten Herausforderungen. Doch mein Wille war stärker. Ich habe die deutsche Sprache recht schnell lieben
gelernt. Es gab Menschen in meinem Umfeld, die mich demotivierten und behaupteten, dass ich nur eine Lehre machen könne, weil die Schule zu schwer für mich sei. Auf der anderen Seite standen meine Mutter, meine Heldin, und viele andere, die mich
motivierten und unterstützten.
In der HTL erfuhr ich durch meine Mathematik- und Deutschlehrerinnen von START. Plötzlich öffneten sich für mich weitreichende Türen. Der Zugang zur Bildung, Motivation und persönlichen Weiterentwicklung war noch nie so einfach für mich. START war entscheidend für meinen erfolgreichen Abschluss der HTL.
Doch was ist START eigentlich?
Also trocken formuliert ist START ein Stipendienprogramm für engagierte Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, das sie finanziell, ideell, und sozial durch zahlreiche Workshops und Seminare unterstützt und bereichert. Aber START ist für mich mehr als das. START ist wie eine Familie, in der viele kluge, junge Köpfe zusammenkommen, um für sich selbst und für die Gesellschaft eine
bewusste, kreative und nachhaltige Zukunft zu gestalten. Durch START konnte ich meine eigenen versteckten Fähigkeiten und Interessen sowie mein riesiges Potential entdecken. Meine Leidenschaft für die Fotografie wurde erkannt und gefördert. Dank START erhielt ich meine erste Kamera und konnte meine erste Ausstellung verwirklichen. Und hier möchte ich stolz erwähnen, dass ich mit meinem Film
“Heimatlos in Wien” einer der Kunstpreis-Gewinnerinne und Gewinner bin.
START gab mir, voralem durch den Technik-Mentoring, eine Orientierung, Ideen und Cancen für die Zeit nach der Schule und dadurch innerliche Sicherheit START war für mich ein Zufluchtsort, wenn die Herausforderungen im Leben oder in der Schule übermächtig wurden.
Plötzlich musste ich mir keine Sorgen mehr machen, wenn ich Nachhilfe brauchte oder eine überteuerte Schulreise geplant wurde. Plötzlich, hatte ich einen Ansprechpartner, was Asyl und Integration angeht. Und an dieser Stelle möchte ich persönlich Aleks danken, die mich in den schwierigsten Zeiten unterstützte und zuhörte. Dies und noch viel mehr bedeutet START für mich. START hat mich gefördert und herausgefordert, das Beste aus mir herauszuholen und mich zu stärken.
Autor: Omran START-Alumni