START-Wien Stipendiatin Sinem im Gespräch mit Esther Weinberger und Gudrun Büsel von Recycling Kosmos über Upcycling, Minimalismus und Klimastreik.
Warum eigentlich Upcycling? Wie bist Du darauf gestoßen?
Esther: „In meiner Kindheit war es völlig normal, dass man aus alter Kleidung was Neues gemacht hat, weil Stoffe einfach zu teuer waren. Meine Mutter und meine Oma haben immer aus alter Kleidung was Neues gemacht. Später kam der ökologische Gedanke dazu. Im Grunde finde ich es interessanter mit alten Textilien zu arbeiten, weil es individueller ist.“
Gudrun: „Ich habe schon immer gerne genäht. Ich habe auch geupcycled, habe aber auch neuen Stoff gekauft und nach der Matura wollte ich das richtig lernen und habe die Schneider Ausbildung gemacht, was mir gefallen hat, aber da habe ich mitgekriegt, dass die Modeindustrie recht umweltbelastend ist. Ich möchte das nicht vertreten und bin weggegangen und habe angefangen Umwelt und Bioressourcenmanagement zu studieren, weil mir die Umwelt am Herzen liegt. Ich bin dann zum Recycling Kosmos gekommen und mache Workshops.”
Was hast Du schon alles geupcycled und was war der lustigste Gegenstand?
Esther: „Ich habe Schuhe übermalt. Mit Socken wahnsinnig viel gearbeitet, damit habe ich mit Kindern Handpuppen gemacht. Ich habe ganz viel mit alter Bettwäsche gemacht. Zum Beispiel Geschirrtücher aus alter Bettwäsche, Taschen oder Decken für kleine Kinder. Mit Vorhängen habe ich schon viel gemacht und natürlich auch aus T-Shirts, Herrenhemden, Kaffeepackungen, Reissäcken, Duschvorhänge, … Es gibt nichts was ich nicht schon irgendwie verwendet habe. Aus einem Mieder habe ich einen Rucksack gemacht.“
Gudrun: „Oft mache ich eigentlich nur kleine Abänderungen. Mit ein paar Nähten schnell was Neues. T-Shirts, Pullover, Verpackungen. Lustigster Gegenstand eventuell Sockenmonster oder etwas aus Reisverpackungen.“
Gehst Du trotzdem noch shoppen?
Esther: „Ich gehe fast nie shoppen. Ich nähe auch meine Unterwäsche selbst aus alten T-Shirts. Wenn ich auf Reisen bin in einer anderen Stadt, gehe ich schon ganz gern in andere Geschäfte und kaufe mir vielleicht auch was, aber sonst nur nachhaltige Schuhe.“
Gudrun: „Shoppen gehe ich nicht, wenn dann in secondhand Läden oder auf Kleidertauschpartys. Ab 20/21 (Jahre) war ich nicht mehr shoppen“
Was sagst Du zum Minimalismus und bist Du eine Minimalistin?
Esther: „Zum Teil, wenn ich in meine Wohnung schaue dann nicht, denn ich sammle unheimlich viel, weil ich es gerne wiederverwerte, aber was Konsum anbelangt, bin ich eher eine Konsumverweigerin. Ich kaufe wenig Lebensmittel, weil ich viel aus Getreide und Gemüse einfach selbst mache. Ich kaufe null Fertigprodukte.“
Gudrun: „Ich bin voll der Fan davon. Ich würde mich selbst als Minimalistin bezeichnen, nur habe ich ein Hobby was nicht minimalistisch ist. Mein Zuhause ist nicht typisch minimalistisch, allerdings bin ich schon am überlegen ob ich diese Dinge wirklich brauche. So verstehe ich Minimalismus. Dieses bewusste einkaufen.“
Gibt es Grenzen? Wo sagst Du Stopp?
Esther: „Ich verwende keine Materialien, bei denen ich der Meinung bin, dass man die gar nicht einkaufen soll. Zum Beispiel PET Flaschen oder Kaffee Kapseln, die soll man gar nicht kaufen. Ich versuche sie zu meiden und möchte damit vermitteln, kaufst sowas gar nicht. Mit Lebensmitteln arbeite ich auch nicht, weil ich Kindern, zum Beispiel im Workshop, kein falsches Bild vermitteln möchte.“
Gudrun: „Die eigenen Grenzen muss jeder selbst wissen, denn jeder hat eine andere Idee, was er mit den Sachen machen kann. Ich würde jetzt nicht sagen das ist ein No-Go für mich, da bin ich relativ offen. Ich würde da keine Grenze ziehen. Es gibt keine Grenzen.“
Veganismus: Ja oder Nein?
Esther: „Ich lebe nicht vegan, aber ich konsumiere wenig tierische Produkte, aus zwei Gründen. Das eine aus ökologischen Gründen, weil die Viehwirtschaft sehr viel CO² ausstößt und sehr viel Boden braucht. Der zweite Grund ist, dass die herkömmliche Viehwirtschaft Viehunwürdig ist. Ich kaufe es aber nur bei Bauern, wo ich weiß, dass die Tiere frei rumlaufen können.“
Gudrun: „Ich bin vegan und ich finde es umwelttechnisch, gesundheitlich und ethisch super.“
Was sagst Du zum Klimastreik am 15. März? Warst Du dort?
Esther: „Ich selbst war nicht dort. Ich finde es großartig, wie die Jugend auf die Straße geht und sagt „Stopp, so nicht“, weil ich bin der Meinung wir sollten mindestens dann aufwachen, wenn die Jugend auch sieht, dass ihre Zukunft bedroht ist. Es wäre arrogant, wenn wir, die ältere Generation, sagen die Schüler sollten lieber in die Schule gehen und lernen, anstatt auf die Straße zu gehen. Unsere Generation hat dazu beigetragen, dass das Klima jetzt so ist und wir sollten uns bei der Jugend dafür entschuldigen.“
Gudrun: „Ich war dort. Ich fand es sehr cool. Ich fand es sehr faszinierend wie viele Menschen aus Wien da waren. Ich war schon öfters demonstrieren, aber auf so einer großen Demo war ich schon lange nicht mehr. Was ich so toll gefunden habe, war dass so viele junge Schüler da waren. Auch allen Alters waren alle Leute da. Es ist echt schön, dass wir alle gemeinsam dabei sind.“
Was willst Du der jungen Generation weitergeben?
Esther: „Was ich vermitteln möchte, ist bewusst leben. Überlegen was ich konsumiere, ob ich das brauche. Nicht weil es billig ist, denken es hat eh nichts gekostet. Es hat dem Menschen, der dran gesessen ist, hat es gekostet.“
Gudrun: „Ich finde es wichtig, dass niemand perfekt ist und versucht das beste aus allem zu machen, für sich mögliche zu machen. Man sollte kleine Schritte machen und nicht sofort aufgeben. Nicht von Anfang an abblocken und seinen Spaß dran haben.“
Über Esther & Gudrun
Kurzbiografie Esther Weinberger
Esther ist Mediatorin, seit 17 Jahre in der mobile Wohnbetreuung tätig und hält Empowermentseminare für Frauen mit Lernschwierigkeiten – Verein NINLIL.
Seit 2011 Modedesignerin für Upcyclingmode
Diverse Verkaufsausstellungen, Modeschauen, Kunstprojekt im Rahmen von SOHO in Ottakring: „Die Riesin von Ottakring“, Nähcafe für Reparatur und Upcycling-Fashion, diverse Workshops für Schulklassen und Kindergruppen, Kooperationspartnerin von wienXtra, Mitglied und Kooperationspartnerin des Recycling-Kosmos, Koordination und Organisation der Workshop-Angebote, Fortbildungen für Pädagog_innen
Kurzbiographie Gudrun Büsel
Gudrun besuchte von 2012-2014 das Modekolleg an der Herbststrasse in Wien und studierte anschließend Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der Universität für Bodenkultur Wien.
Seit 2017 Mitglied des Recycling Kosmos, Betreuung offener näh.räume und bietet erste Upcycling-Workshops an.
Seit 2019 Beginn der Selbstständigkeit als Workshopleiterin